Also eins vorweg, ich bin leider nicht so mutig wie Hans, daher werde ich nur wenig von meiner persönlichen Geschichte im Internet preisgeben.
Trotzdem will ich mal ein wenig darüber schreiben und zum Schluß meine persönliche Definition der Depression versuchen. Dieser Eintrag ist quasi auch Teil einer Therapie für mich
Also bei mir hat alles vor einigen Jahren begonnen und hat sich dann zu einer mittelgradigen rezidivierenden (wiederkehrenden) Depression entwickelt. So lautet zumindest die Diagnose.
Zu meiner Kindheit ist zu sagen, daß ich eigentlich eine schöne Kindheit auf dem Lande verbracht habe. Das Elternhaus war intakt, ich hatte viel Platz und Gelegenheit zum Spielen (vom Computer bis zum Baumhausbauen) und ich hatte jede Menge Hobbys. Ich war allerdings immer etwas sensibel und immer auf Ausgleich bedacht, wenn sich Freunde gestritten haben. Ich liebe nunmal Harmonie. Schon als Kind mochte ich es nicht über andere zu lästern und wenn ich mal Ziel von sowas war, dann war ich immer ziemlich getroffen und reagierte mit Rückzug. Mir ging es vor allem dann gut, wenn es (allen!) anderen gut ging. Nicht besonders großes Selbstvertrauen also. In der Schule hatte ich was die Noten angeht keine Probleme. Ich war eher unterfordert, schaffte ich doch das Abitur ohne große Anstrengung.
Als dann viel später ein Familienmitglied schwer erkrankte, fühlte ich mich zuständig und opferte mich neben meinen beruflichen Pflichten dafür auf. Das Problem: ich konnte die Situation gar nicht regeln, denn auch Ärzte, Pfleger, andere Angehörige und auch das erkrankte Familienmitglied selbst, redeten natürlich rein. So kam ich mit besten Absichten zu helfen in eine Überforderung. Das ganze eskalierte (habe davon in der Gruppe berichtet), so daß ich mich total hilflos fühlte. Ich reagierte mit instinktiv mit Rückzug. Das heisst so ganz stimmt das nicht, ein Teil von mir reagierte mit Rückzug. Der andere Teil von mir verdoppelte die Anstrengungen. Ich führte und führe teilweise bis heute noch einen inneren Kampf mit mir selber. Im Grunde ging es darum, daß ich mich nur über andere definierte und nicht an mich selbst denken konnte. So begann der vernachlässigte egoistische Teil von mir den anderen Teil von mir zu bekämpfen, in dem er einen unbefristeten Streik ausrief. Die Depression war geboren. Rückzug und Scheiß-egal-Stimmung und gleichzeitig deswegen ein schlechtes Gewissen, was zu noch mehr Rückzug führte. Bis zu dem Punkt wo ich alltägliche Aufgaben, wie Einkaufen oder Duschen vernachlässigte und mich nur noch mit einer ungeheuren Angst vor die Tür traute.
Depression hat für mich persönlich viel mit Überforderung zu tun. Sie ist für mich eine Reaktion auf eine Überforderung. Ich kann das ganz gut am Schlafverhalten erkennen. Bin ich depressiv, schlafe ich unheimlich viel, bis zu 14 Stunden am Tag. Allerdings ist der Schlaf dann von extrem anstrengenden Träumen begleitet und ich wache oft auf. Die Grübeleien des Tages nehme ich sozusagen mit in den Schlaf.
Leider habe ich erst nach Monaten die Einsicht gewonnen, dass irgendwas nicht mit mir stimmt. Eigentlich haben mich die Familie und Freunde darauf gebracht und dafür bin ich ihnen heute noch dankbar. Ich bin also zum Psychiater gegangen, der bei mir eine Belastungsstörung/Anpassungsstörung diagnostizierte. Ich machte eine Gesprächstherapie und nahm Antidepressiva. Nach einiger Zeit ging es mir besser und ich war wieder in der Lage am Leben teilzunehmen und Leistungen zu bringen. Ich fühlte mich gut, war ich doch endlich nicht mehr in der Scheiß-egal-Stimmung. Ich kam mir nicht mehr wie ein Schiffbrüchiger auf dem Ozean vor. Alles ok dachte ich und setzte die Tabletten ab und ging nur noch alle 8 Wochen zur Gesprächstherapie. Irgendwann gab der Arzt dann seine Praxis auf und ich war auf mich allein gestellt.
Doch dann kam eine erneute Belastung, diesmal im beruflichen Leben. Anders als vor meiner Depression, sah ich die Herausforderung nicht positiv, sondern wie einen Berg vor mir. Doch ich schenkte dem keine Beachtung und versuchte mich durchzuarbeiten. Ich hatte die Rechnung aber ohne meinen egoistischen Part gemacht. Auf die Belastung hin rief meine hauseigene Gewerkschaft den unbefristeten Streik aus und mein eigener Arbeitgeber reagierte darauf mit noch mehr Arbeitspensum und Aussperrung. Der Arbeitskampf in mir selber hatte wieder begonnen.
Mehrmals wiederholte sich das ganze. Nach dem letzten Tief machte ich allerdings etwas ungewöhnliches. Ich übersprang meinen Schatten und fragte Freunde mit ähnlichen Erfahrungen, wie sie solche Probleme meistern. Sie halfen mir, indem sie mich von meinen Grübeleien abbrachten und mich auf die Idee mit der Selbsthilfegruppe brachten. Sie brachten mich dazu, mich wieder einem Arzt und einem Psychologen anzuvertrauen. Diesmal allerdings mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie. Das war genau das, was ich gesucht hatte. Die Ursachen sind mir eigentlich schon einigermaßen klar. Nur wie ich im alltäglichen Leben damit zurechtkomme ist mir noch nicht immer klar. Ich habe mir ein Netzwerk aus Freunden, Familie, Selbsthilfe und Profis aufgebaut. Und ich habe gelernt, daß es ok ist, auchmal nach Hilfe zu fragen. Ich bin auch dann wertvoll wenn ich auchmal nur an mich denke und andere damit "belaste".
Im Moment geht es mir nicht besonders gut. Im Leben gibt es nunmal immer wieder Schicksalsschläge großer und kleiner Art. Ich muss jetzt aufpassen, dass meine innere Gewerkschaft jetzt wegen der Belastung nicht wieder den Streik ausruft. Ich brauche ein internes Bündnis für Arbeit. Ich möchte genau auf mich und meine Bedürfnisse achten. Ich möchte nicht mehr in Extremen leben, ich möchte ausgeglichen sein. Die nächsten Wochen werden ein Test sein, ob ich gelassen genug bin, der Belastung zu begegnen. Ob mein Netzwerk mir helfen kann.
Ich freue mich, daß es eine Selbsthilfegruppe und dieses Forum gibt. Allen da draußen möchte ich sagen, daß es eben nicht immer nur bergab geht. Es ist nur manchmal harte Arbeit, sich nicht in seinen inneren Konflikten zu ergeben und stattdessen die Bedürfnisse zu erkennen. Eine Freundin meinte mal zu mir, sie könne zu Depression neigende Menschen nicht verstehen. Die seien immer so negativ. Ich habe ihr empört gesagt, daß das nicht stimmt. Ich bin nicht immer negativ und traurig. Ich bin von Haus aus eigentlich Optimist! Nur manchmal kostet es eben Kraft Optimist zu sein.
Trotzdem will ich mal ein wenig darüber schreiben und zum Schluß meine persönliche Definition der Depression versuchen. Dieser Eintrag ist quasi auch Teil einer Therapie für mich
Also bei mir hat alles vor einigen Jahren begonnen und hat sich dann zu einer mittelgradigen rezidivierenden (wiederkehrenden) Depression entwickelt. So lautet zumindest die Diagnose.
Zu meiner Kindheit ist zu sagen, daß ich eigentlich eine schöne Kindheit auf dem Lande verbracht habe. Das Elternhaus war intakt, ich hatte viel Platz und Gelegenheit zum Spielen (vom Computer bis zum Baumhausbauen) und ich hatte jede Menge Hobbys. Ich war allerdings immer etwas sensibel und immer auf Ausgleich bedacht, wenn sich Freunde gestritten haben. Ich liebe nunmal Harmonie. Schon als Kind mochte ich es nicht über andere zu lästern und wenn ich mal Ziel von sowas war, dann war ich immer ziemlich getroffen und reagierte mit Rückzug. Mir ging es vor allem dann gut, wenn es (allen!) anderen gut ging. Nicht besonders großes Selbstvertrauen also. In der Schule hatte ich was die Noten angeht keine Probleme. Ich war eher unterfordert, schaffte ich doch das Abitur ohne große Anstrengung.
Als dann viel später ein Familienmitglied schwer erkrankte, fühlte ich mich zuständig und opferte mich neben meinen beruflichen Pflichten dafür auf. Das Problem: ich konnte die Situation gar nicht regeln, denn auch Ärzte, Pfleger, andere Angehörige und auch das erkrankte Familienmitglied selbst, redeten natürlich rein. So kam ich mit besten Absichten zu helfen in eine Überforderung. Das ganze eskalierte (habe davon in der Gruppe berichtet), so daß ich mich total hilflos fühlte. Ich reagierte mit instinktiv mit Rückzug. Das heisst so ganz stimmt das nicht, ein Teil von mir reagierte mit Rückzug. Der andere Teil von mir verdoppelte die Anstrengungen. Ich führte und führe teilweise bis heute noch einen inneren Kampf mit mir selber. Im Grunde ging es darum, daß ich mich nur über andere definierte und nicht an mich selbst denken konnte. So begann der vernachlässigte egoistische Teil von mir den anderen Teil von mir zu bekämpfen, in dem er einen unbefristeten Streik ausrief. Die Depression war geboren. Rückzug und Scheiß-egal-Stimmung und gleichzeitig deswegen ein schlechtes Gewissen, was zu noch mehr Rückzug führte. Bis zu dem Punkt wo ich alltägliche Aufgaben, wie Einkaufen oder Duschen vernachlässigte und mich nur noch mit einer ungeheuren Angst vor die Tür traute.
Depression hat für mich persönlich viel mit Überforderung zu tun. Sie ist für mich eine Reaktion auf eine Überforderung. Ich kann das ganz gut am Schlafverhalten erkennen. Bin ich depressiv, schlafe ich unheimlich viel, bis zu 14 Stunden am Tag. Allerdings ist der Schlaf dann von extrem anstrengenden Träumen begleitet und ich wache oft auf. Die Grübeleien des Tages nehme ich sozusagen mit in den Schlaf.
Leider habe ich erst nach Monaten die Einsicht gewonnen, dass irgendwas nicht mit mir stimmt. Eigentlich haben mich die Familie und Freunde darauf gebracht und dafür bin ich ihnen heute noch dankbar. Ich bin also zum Psychiater gegangen, der bei mir eine Belastungsstörung/Anpassungsstörung diagnostizierte. Ich machte eine Gesprächstherapie und nahm Antidepressiva. Nach einiger Zeit ging es mir besser und ich war wieder in der Lage am Leben teilzunehmen und Leistungen zu bringen. Ich fühlte mich gut, war ich doch endlich nicht mehr in der Scheiß-egal-Stimmung. Ich kam mir nicht mehr wie ein Schiffbrüchiger auf dem Ozean vor. Alles ok dachte ich und setzte die Tabletten ab und ging nur noch alle 8 Wochen zur Gesprächstherapie. Irgendwann gab der Arzt dann seine Praxis auf und ich war auf mich allein gestellt.
Doch dann kam eine erneute Belastung, diesmal im beruflichen Leben. Anders als vor meiner Depression, sah ich die Herausforderung nicht positiv, sondern wie einen Berg vor mir. Doch ich schenkte dem keine Beachtung und versuchte mich durchzuarbeiten. Ich hatte die Rechnung aber ohne meinen egoistischen Part gemacht. Auf die Belastung hin rief meine hauseigene Gewerkschaft den unbefristeten Streik aus und mein eigener Arbeitgeber reagierte darauf mit noch mehr Arbeitspensum und Aussperrung. Der Arbeitskampf in mir selber hatte wieder begonnen.
Mehrmals wiederholte sich das ganze. Nach dem letzten Tief machte ich allerdings etwas ungewöhnliches. Ich übersprang meinen Schatten und fragte Freunde mit ähnlichen Erfahrungen, wie sie solche Probleme meistern. Sie halfen mir, indem sie mich von meinen Grübeleien abbrachten und mich auf die Idee mit der Selbsthilfegruppe brachten. Sie brachten mich dazu, mich wieder einem Arzt und einem Psychologen anzuvertrauen. Diesmal allerdings mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie. Das war genau das, was ich gesucht hatte. Die Ursachen sind mir eigentlich schon einigermaßen klar. Nur wie ich im alltäglichen Leben damit zurechtkomme ist mir noch nicht immer klar. Ich habe mir ein Netzwerk aus Freunden, Familie, Selbsthilfe und Profis aufgebaut. Und ich habe gelernt, daß es ok ist, auchmal nach Hilfe zu fragen. Ich bin auch dann wertvoll wenn ich auchmal nur an mich denke und andere damit "belaste".
Im Moment geht es mir nicht besonders gut. Im Leben gibt es nunmal immer wieder Schicksalsschläge großer und kleiner Art. Ich muss jetzt aufpassen, dass meine innere Gewerkschaft jetzt wegen der Belastung nicht wieder den Streik ausruft. Ich brauche ein internes Bündnis für Arbeit. Ich möchte genau auf mich und meine Bedürfnisse achten. Ich möchte nicht mehr in Extremen leben, ich möchte ausgeglichen sein. Die nächsten Wochen werden ein Test sein, ob ich gelassen genug bin, der Belastung zu begegnen. Ob mein Netzwerk mir helfen kann.
Ich freue mich, daß es eine Selbsthilfegruppe und dieses Forum gibt. Allen da draußen möchte ich sagen, daß es eben nicht immer nur bergab geht. Es ist nur manchmal harte Arbeit, sich nicht in seinen inneren Konflikten zu ergeben und stattdessen die Bedürfnisse zu erkennen. Eine Freundin meinte mal zu mir, sie könne zu Depression neigende Menschen nicht verstehen. Die seien immer so negativ. Ich habe ihr empört gesagt, daß das nicht stimmt. Ich bin nicht immer negativ und traurig. Ich bin von Haus aus eigentlich Optimist! Nur manchmal kostet es eben Kraft Optimist zu sein.
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